Von Redaktion, 14. März 2024
Liebe Portalist:innen,
gerne möchten wir Euch in einer kleinen Reihe die Teilnehmer:innen des Oldenburger Portals näher bringen. Wir beginnen mit RAUM AUF ZEIT, der unabhängigen Agentur für Zwischennutzung in Oldenburg. Für das Oldenburger Portal interviewte Silvia Rutkowski hierfür den Geschäftsführer Michael Hagemeister zu aktuellen Themen.
Oldenburger Portal: Wenn ich als Künstlerin, Kulturschaffende oder kreative Unternehmerin aktuell einen Arbeits- oder Veranstaltungsraum in Oldenburg über RAUM AUF ZEIT suchen würde, wie erfolgreich wäre ich?
Michael Hagemeister: Im Durchschnitt sind wir bei einem Viertel bis einem Drittel der Anfragen erfolgreich: In 2023 waren es insgesamt über 100 Anfragen und 26 konkrete Zwischennutzungen konnten wir mit Kreativen und Kulturschaffenden umsetzen.
Aktuell machen wir keine Werbung, um Anfragen zu generieren. Die Leute melden sich von sich aus bei uns. Sie erfahren von uns meistens über Mundpropaganda.
Der andere Weg geht über Social Media.
O.P: Welche Anfragen sind das so?
M.H.: Sehr unterschiedlich. Es kommen sowohl Anfragen für einen Tag (z.B. für einen Filmabend) aber auch Anfragen für zwei Wochen bis zu zwei Monaten.
Die Kellerräume an der Haarenstraße 39 sind an verschiedene Institutionen und Mieter längerfristig vermietet. In der Achternstr. 22 haben wir noch ein zweites Ladenlokal anmieten können und dort haben wir im 1. OG fünf Atelierplätze bis Ende des Jahres vermietet.
O.P. Wie kann ich bei euch einen Arbeits- oder Veranstaltungsraum auf Zeit anfragen?
M.H.: Das Einfachste ist es, wenn man uns über ein Kontaktformular auf der Webseite anschreibt und angibt, was man braucht. Die Anfragen werden sehr individuell bearbeitet. Also sollte man sich bei uns auch individuell melden.
Wenn man ein leeres Ladenlokal in der Stadt entdeckt, dann kann man uns auch kontaktieren und anfragen, denn häufig kennen wir bereits den Eigentümer und wissen, ob der Raum verfügbar ist oder nicht. Durch die Kontaktaufnahme mit uns kann man so viel Zeit und Energie sparen.
O.P.: Nach den Problemen im letzten Jahr wegen der Gesetzesänderung in Niedersachsen scheint sich die Raumnutzungsmöglichkeit (nach außen hin) wieder etwas beruhigt zu haben bzw. Ihr habt einen gangbaren Weg gefunden, um Räumlichkeiten anzubieten?
O.P.: Nach den Problemen im letzten Jahr wegen der Gesetzesänderung in Niedersachsen scheint sich die Raumnutzungsmöglichkeit (nach außen hin) wieder etwas beruhigt zu haben bzw. Ihr habt einen gangbaren Weg gefunden, um Räumlichkeiten anzubieten?
M.H.: Die Baubehörde in Niedersachsen lässt demnach Veranstaltungen in Gebäuden, die ursprünglich nicht für Veranstaltungen konzipiert und gebaut worden sind, analog zu den sogenannten „Scheunenfesten“ zu:
Drei mal drei Tage im Jahr darf in einem Raum, der 200 Personen fasst, eine öffentliche Veranstaltung mit Publikumsverkehr stattfinden, ohne dass man eine Genehmigung beantragen muss. Wenn man darüber hinaus Veranstaltungen machen will (z.B. Vernissagen), braucht man eine Genehmigung des Bauamts und muss einen Bauantrag stellen.
Weil der offizielle Weg der Genehmigungen so aufwändig geworden ist, lohnt sich das nur für Räumlichkeiten, die längerfristig vermietet werden.
Es gibt noch eine Ausnahmeregelung: Wenn eine Zwischennutzung unter den gleichen Bedingungen stattfinden kann wie die bisherige bzw. eingetragene Nutzung, dann kann auf eine Antragstellung bei der Baubehörde verzichtet werden.
Hier erkennen wir schon: aussichtsreicher ist ein dauerhafter Raum auf Zeit. Einen solchen bieten wir z.B. in der Haarenstrasse 39 an.
Gerade fand in der Haarenstrasse ein kulturelles Highlight statt, eine Ausstellung von Tanja Lê und Carsten Mohr, wo die Künstlerin ein begehbares Bild geschaffen hatte. Bilder davon gibt es auf unserer Website. Aktuell läuft eine Ausstellung von Koko Proll und danach ist der Kunstkomplex mit einer Ausstellung bei uns.
In der Baumgartenstrasse 6 fanden mehrere Zwischennutzungen nacheinander statt: u.a. eine Ausstellung der Jade-Hochschule und des freien Künstlerkollektivs „Die Loge“.
Das Problem von kurzzeitigen Vermietungen ist aber: man kann die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nicht dauerhaft auf die dort stattfindende Kultur lenken. Der Effekt der „kulturellen Belebung“ verpufft. Das ist schade und eigentlich streben wir was anderes an.
O.P.: Bei Instagram sieht man seit Kurzem das Konzept „Placemaking“ in den Fokus rücken. Könnt ihr uns hierzu etwas mehr erzählen?
Die Loge – Fürchtet Euch nicht / Baumgartenstraße 6 / 2021
M.H: Wir haben uns gefragt, warum machen wir das, was wir machen. Um Leerstand in der Innenstadt zu kaschieren? Nein, das ist es nicht. Wir möchten Kultur in den Stadtraum bringen. Im Sinne von „Placemaking“ geht es in dem Engagement von RAUM AUF ZEIT Oldenburg darum, Räume im Erdgeschoss der leerstehenden Ladenlokale der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Dieser Ort wird erschlossen und von Menschen gemeinsam gestaltet. Von Kulturschaffenden und dem Publikum zu einem „Kulturort“ gemacht, der sich vom „Ort des Konsums“ wesentlich unterscheidet. So ist zum Beispiel eine Kunst-Ausstellung mit Vernissage, mit Publikumsverkehr, im Sinne der Stadtentwicklung bereits „Placemaking“.
Aber „Placemaking“ kann natürlich noch weiter gehen. Dafür möchten wir uns einsetzen und haben im Kulturausschuss im Dezember eine Idee eingebracht. Seit 10 Jahren gibt es eine europaweite Initiative: „Placemaking Week Europe“. Es ist ein von Stadt zu Stadt wanderndes, einwöchiges Festival, wo ca. 500 Experten zum Thema „Stadtentwicklung“ aus unterschiedlichen Bereichen die gewählte Stadt unter die Lupe nehmen und die Verhältnisse in der Innenstadt begutachten, begleitet von öffentlichen Diskussionsrunden, Vorträgen, Workshops und buntem Kulturprogramm. Dieses Festival möchten wir nach Oldenburg holen, um auf diese Weise einen Blick von „Außen“ auf die Stadt zu werfen. Wir können uns denken, dass in Oldenburg die Fragestellungen anders als in Großstädten ausfallen würden. Wo in Großstädten der öffentliche Raum aus allen Nähten platzt, gibt es in Oldenburg zu viel „Raum“ oder der öffentliche Raum wird „falsch“ genutzt, verschwendet sozusagen (siehe die auto-lastigen Verkehrskreisel nahe der Fußgängerzone). Das Festival wird von einer Agentur aus Rotterdam organisiert und findet immer in Zusammenarbeit mit der jeweiligen Stadt statt. Auch in Oldenburg stellt sich dabei die Frage der Umsetzbarkeit und Finanzierung. Daran arbeiten wir noch. Wir hoffen, möglichst alle Akteure, die in Oldenburg mit dem Thema zu tun haben als Partner gewinnen zu können: Sowohl die Veranstaltungsreihe „Forum Stadt“ am CORE, als auch die Jade Hochschule und die Uni Oldenburg mit ihren thematisch verwandten Studiengängen, als auch die Oldenburger Kunstschule usw.
O.P.: Plant ihr noch Veranstaltungen, Workshops, Umfragen zu diesem Thema in Oldenburg oder wie soll das Thema noch mehr platziert werden?
M.H.: In dem Bereich wollen wir kleine Projekte möglichst dieses Jahr umsetzen. Auf Social Media oder idealerweise in der NWZ möchten wir darüber informieren.
Es ist auch für uns immer wieder schwierig, Berichte über Ausstellungen und andere kulturelle Aktivitäten von RAUM AUF ZEIT in der NWZ zu platzieren. Manchmal waren nur Einträge im Veranstaltungskalender der Print-Ausgabe möglich, mehr nicht. Das finde ich schade. Aktuell suchen wir ehrenamtliche Helfer, die Ausstellungen betreuen können. Über Social Media haben sich bereits ein paar Interessierte gemeldet. Da viele Oldenburger treue NWZ-Leser sind, würde es uns daher sehr helfen, in der Printausgabe der Tageszeitung regelmäßig Artikel zu veröffentlichen.
O.P.: Gibt es Vernetzungen zu anderen städtischen Zwischenraumnutzungen und wenn ja, was würdet Ihr gerne hier in Oldenburg umsetzen?
M.H.: Ja, am 12.07.2023 wurde ein bundesweites Netz NZN gegründet. RAUM AUF ZEIT aus Oldenburg gehört auch dazu. Wir wollen demnächst ein Treffen in Oldenburg realisieren. Vielleicht klappt es im November. Wir besprechen das gerade ganz aktuell. Die Zwischenzeitzentrale aus Bremen (ZZZ), die Förderung vom Bund dafür bekommt, hat sich des Themas „Vernetzung“ angenommen und möchte es anschieben. Ein Austausch mit anderen ist immer wertvoll! In diesem Fall ist es wichtig zu erfahren, ob andere Städte Lösungen für ihre Probleme gefunden haben. Es ist sogar so gedacht, dass man bundesweit versucht, bestimmte Dinge zu ändern. Wenn das Thema „Zwischennutzung“ eine Art LOBBY-Verband als Interessenvertretung bekäme, hätte man eine gewichtigere Stimme gegenüber der Politik. Man könnte sogar Änderungen im Steuerrecht vornehmen, z.B. erwirken, dass Immobilieninhaber steuerliche Erleichterungen erhalten, wenn sie ihre Immobilie an Kulturschaffende günstiger vermieten. Wir bleiben dran!
Ausstellungseröffnung Le&Mohr im Februar 2023, Haarenstraße 39
O.P.: Was macht RAUM AUF ZEIT Oldenburg bereits so gut, dass sich andere gleichgelagerte Initiativen etwas abschauen dürfen?
Wir agieren in enger Kooperation mit dem Kulturamt und werden von der Stadt Oldenburg komplett gefördert. Das ist in anderen Städten nicht der Fall. Außerdem sind wir gut vernetzt, kooperieren mit der Kulturgenossenschaft (Polygenos eG), die bereits umfangreiche Erfahrungen mit dem Erwerb einer Immobilie und ihrer Umwandlung in einen Kulturort gemacht hat. Wir können also weiterhelfen, wenn jemand aus dem Netzwerk eine Genossenschaft gründen möchte, um gemeinsam eine Immobilie zu kaufen und damit dauerhaft einen Kulturort zu schaffen. Wir kennen uns auch mit dem Thema „Umsatzsteuer bei einer Anmietung“ aus. Da haben wir bereits einige Erfahrungen gemacht und wissen mittlerweile, wenn die Gebäude neu sind oder vor kurzem renoviert wurden, können die Vermieter Umsatzsteuer sparen aber in der Zeit können sie nicht an Leute vermieten, die nicht umsatzsteuerpflichtig sind. So kann eine Vermietung an Kulturschaffende, die in der Regel nicht umsatzsteuerpflichtig sind, aber nicht funktionieren. Es braucht also immer jemanden, der die Anmietung unter dieser Voraussetzung übernehmen kann.
RAUM AUF ZEIT aus Oldenburg ist mit einem Workshop als Praxisbeispiel auch bei „zwischen Pop-up und Shutdown – Kultur in den Innenstädten“ auf dem 69. Loccumer Kulturpolitischem Kolloquium in Kooperation mit der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. und dem Deutschen Städtetag von 23.02.2024 bis 25.02.2024 dabei. Thema Lebendige Innenstädte sind für eine funktionierende Gesellschaft wichtig. Dabei geht es den deutschen Innenstädten unterschiedlich gut:
Während die einen mit Raumknappheit und Konkurrenz umgehen müssen, kämpfen andere mit Leerständen und verwahrlosten Räumen.
Was kann Kultur zu einer lebendigen Gestaltung von Innenstädten beitragen und welche Kulturpolitischen Aufgaben stellen sich im Rahmen einer integrierten Stadtentwicklung?
https://www.loccum.de/tagungen/2405/
Ich wurde zu diesem Kulturpolitischem Kolloquium eingeladen. Die Organisatoren kamen auf uns zu. RAUM AUF ZEIT Oldenburg ist ein Beispiel dafür, wie man mit Zwischennutzung der Leerstände Kunst und Kultur in die Innenstadt bringen kann. Ich werde in einem Workshop unser Projekt vorstellen. Darin plane ich eine Diskussion der Teilnehmer zum Thema „was ist eigentlich Kultur“ ein. Ich denke außerdem über eine Diskussion zu der Fragstellung: wie kann man die Zwischennutzung des Leerstands nachhaltiger gestalten, damit eine dauerhafte Belebung einer Innenstadt erreicht werden kann? Zu diesem Thema gehört unweigerlich die Höhe der Mieten und die Haltung der Immobilienbesitzer zum Thema Zwischennutzung. Die aktuelle Höhe der Mieten für Räumlichkeiten ist schon für gewerbliche Nutzer kaum zu stemmen. Für Kulturschaffende noch viel weniger. Die Vermietung der Räume in der Haarenstrasse 39 läuft über ein Förderprojekt der Wirtschaftsförderung. In einem anderen Ladenlokal (Achternstr. 22) haben wir für ein Jahr eine günstigere Miete bekommen. Das ist aber eher eine Ausnahme. Ohne eine Unterstützung kann das nicht gehen. Wir setzen dabei weiter auf einen guten Austausch mit der Stadtpolitik und – Verwaltung.
O.P.: Michael, wir danken dir für dieses Gespräch.
Das Interview führte: Silvia Rutkowski
Fragen: Ulli Bohmann & Jinke Fanselau
Lektorat: Mechtild Oetjen & Clara Kaiser
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